Für 86 Cent kriegt man zwar keine Kugel Eis – aber in Sachsen-Anhalt eine Regierungskrise! Doch woher kommen diese ominösen 86 Cent, über die alle so in Aufruhr sind?
Die Rundfunk-Anstalten – also ARD, ZDF und Deutschlandradio– sollen unabhängig berichten, über Wirtschaft, Politik und vieles mehr. Bedingung dafür ist, dass sie finanziell unabhängig sind von Geldgebern und Werbeeinnahmen. Das ist sogar verfassungsrechtlich vorgeschrieben: Die unabhängige Finanzierung der Rundfunk-Anstalten muss gewährleistet werden – und wird gewährleistet durch die Rundfunkgebühren.
Wer aber legt den Betrag der Gebühren fest?
Die Öffentlich-Rechtlichen selbst? Das wäre den Rundfunk-Anstalten sicher lieb, um neue Projekte anzustoßen und aufzuholen bei der Digitalisierung. Allerdings wäre die Missbrauchsgefahr groß, denn wer sich selbst überlegen kann, wie viel Geld er braucht, überschätzt sich gerne. Mehr geht schließlich immer.
Man könnte meinen, die Beiträge würden von der Politik festgesetzt. Schließlich ist es das Parlament in Sachen-Anhalt, dass eine Beitragserhöhung momentan blockiert. Aber dem ist nicht so, denn auch hier würden sich Probleme ergeben: Wenn die Politik den Beitrag festlegt, könnten die Rundfunk-Anstalten ihre Unabhängigkeit verlieren. Denn eine Regierung ist vielleicht weniger dazu geneigt, die Beiträge zu erhöhen, wenn die Berichterstattung über sie allzu kritisch ist.
Deshalb wird die Höhe der Rundfunkgebühren von einer unabhängigen Expertenkommission mit dem sperrigen Namen Kommission zur Ermittlung des Finanzbedarfs der Rundfunkanstalten (KEF) festgelegt. Der Betrag wird in einem mehrstufigen Verfahren ermittelt:
Zunächst melden die Rundfunkanstalten ihren Bedarf.
Die Kommission prüft diesen angegebenen Bedarf.
Die Gebühren werden von der KEF festgelegt.
Die Gesetzgeber müssen zustimmen. Das heißt, (a) die Ministerpräsidenten und -präsidentinnen aller Bundestländer müssen zu stimmen und (b) die Landesparlamente müssen zu stimmen.
Die Erhöhung von 86 Cent scheitert gerade in Sachsen-Anhalt beim allerletzten Schritt: Das Parlament, beziehungsweise CDU und AfD, möchten nicht zu stimmen.
Wenn das Parlament die Erhöhung ablehnen sollte, werden die Beiträge 2021 zunächst nicht erhöht. Aber das letzte Wort ist damit noch nicht gesprochen. Sollte die Erhöhung nicht durchkommen, werden die Anstalten wahrscheinlich vorm Bundesverfassungsgericht klagen – und ziemlich sicher recht erhalten. Schon 2007 stellte das Verfassungsgericht fest, dass eine Gebührenfestsetzung der Gesetzgeber, die unter den empfohlenen Beitrag der KEF liegt, verfassungswidrig ist.
Das heißt, wenn die Gesetzgeber eine Erhöhung verweigern, weil ihnen das Angebot der Rundfunk-Anstalten nicht passt (zu Westlich, zu links-liberal), wird das Verfassungsgericht sie dazu zwingen. Sollte es also zu keiner Einigung kommen und die CDU – gemeinsam mit der AfD – gegen die Beitragserhöhung stimmen, werden die Rundfunk-Anstalten klagen und die Erhöhung kommt trotzdem.
Quellen
(2020, 11. September 2007) Rundfunkgebühren verfassungswidrig festgesetzt. Bundesverfassungsgericht. Abgerufen am 6.12.2020 von https://www.bundesverfassungsgericht.de/SharedDocs/Pressemitteilungen/DE/2007/bvg07-090.html
(2020, 12. März). Rundfunkbeitrag soll um 86 Cent pro Monat steigen. Spiegel. Abgerufen am 6.12.2020, von https://www.spiegel.de/kultur/rundfunkbeitrag-soll-um-86-cent-pro-monat-steigen-a-917614ec-c3ea-4299-afd9-b76c4054d20a
Daniel Bouhs im Gespräch mit Sebastian Wellendorf. (2020, 20. Februar). Empfehlung: 18,36 Euro. Deutschlandfunk. Abgerufen am 6.12.2020 von https://www.deutschlandfunk.de/rundfunkbeitrag-empfehlung-18-36-euro.2907.de.html?dram:article_id=470763
Christoph Sterz (2020, 23. Juni) Stabile Einnahmen, unklare Corona-Auswirkungen. Deutschlandfunk. Abgerufen am 6.12.2020 von https://www.deutschlandfunk.de/rundfunkbeitrag-stabile-einnahmen-unklare-corona.2907.de.html?dram:article_id=479169
Michael Borgers und Bernd Holznagel im Gespräch mit Henning Hübert (2020, 01. Dezember). Großer Streit um 86 Cent. Deutschlandfunk. Abgerufen am 6.12.2020 von https://www.deutschlandfunk.de/rundfunkbeitrag-grosser-streit-um-86-cent.2907.de.html?dram:article_id=488464
Rundfunkabgabe. Wikipedia. Abgerufen am 6.12.2020 von https://de.wikipedia.org/wiki/Rundfunkabgabe#Deutschland
Rundfunkbeitrag. Wikipedia. Abgerufen am 6.12.2020 von https://de.wikipedia.org/wiki/Rundfunkbeitrag
Rundfunkstaatsvertrag. Wikipedia. Abgerufem am 6.12.2020 von https://de.wikipedia.org/wiki/Rundfunkstaatsvertrag
Comments