Die FDP erkundigt sich, wie Freiheitsliebe und Kleiderordnung in Berlin Hand in Hand gehen können: Wann muss Berliner*in Bikini tragen – und vor allem: Warum?
Wahlkampf und Kampfthemen
In Berlin brodelt der Wahlkampf. Die FDP zieht blank und konfrontiert die Rot-Rot-Grüne Regierung mit einem besonderen Reizthema: Brüste.
Anlass für die Anfrage der FDP beim Berliner Senat war ein Vorfall im vergangenen Juni: Eine Frau planschte mit ihrem Sohn und einem Freund oberkörperfrei auf einem Wasserspielplatz im Plänterwald. Andere Besucher*innen fühlten sich von den freien Brüsten der 37-jährigen Architektin offenbar gestört und riefen den Sicherheitsdienst. Die Mutter weigerte sich, etwas anzuziehen und verwies stattdessen auf die freien Oberkörper der Männer. Frei nach dem Motto: Wenn die dürfen, darf ich auch! Schließlich wurde sie von der Polizei des Platzes verwiesen.
Die FDP greift diese Geschichte auf und fragt: Wie ist eine solche rigorose Kleiderordnung vereinbar mit der Hauptstadtkampagne „Berlin – Stadt der Freiheit“?
Die FDP selbst hält sich bedeckt, wann Frau sich frei machen darf und wann nicht. Aber sie wirft wichtige Fragen auf.
Wie nackig ist legal?
Explizit verboten ist Nacktheit in der Öffentlichkeit generell nicht. Allerdings gehört zu den nackten Tatsachen auch: Wer durch seine unbekleidete Haut stört, dem wird eine Ordnungswidrigkeit nach § 118 des Gesetzes über Ordnungswidrigkeiten vorgeworfen. Die Konsequenzen sind ein Platzverweis oder – im Härtefall – ein Bußgeld.
Es gibt eine wichtige Ausnahme: Wer zum sexuellen Lustgewinn alle Hüllen fallen lässt, begeht eine Straftat. Es handelt sich dann um exhibitionistische Handlungen. Laut Gesetz können sich dessen allerdings nur Männer schuldig machen. Freie Brüste sind also keine Straftat, höchstens eine Ordnungswidrigkeit.
Aber in welchen Fällen handelt es sich um eine Ordnungswidrigkeit? Das ist Ermessensspielraum, deshalb wird der § 118 auch als „Gummiparagraph“ bezeichnet: Er lässt sich gummiartig dehnen.
Die Freiheit zur Willkür
Auf Anfrage der FDP muss der Berliner Senat zugeben, dass es keine Kriterien dafür gibt, wann nackte Haut eine „Erregung öffentlichen Ärgernisses“ ist und wann nicht. Es handelt sich um Einzelfallentscheidungen. Dabei spielt eine Rolle, wer die umgebenden Personen sind, wann und wo der Nackedei sich entblößt. Auf einem Kinderspielplatz sind nackte Brüste weniger willkommen als auf der öffentlichen Strandwiese. Aber warum eigentlich? Gerade Kinder kriegen nackte Brüste häufiger zu sehen als so manch anderer Erwachsene. Ob die Kinder sich wirklich darüber ärgern?!
Das Bezirksamt Tempelhof-Schöneberg lässt die Hosen runter und gibt zu, wie willkürlich das Gesetz ist: „Die Beurteilung ist […] stark durch die Ansichten der Gesellschaft, bzw. des konkreten sozialen Umfeldes, und die dort vorherrschenden Moralvorstellungen geprägt“.
Aber der Berliner Senat gibt sich nicht die Blöße: Auf die Frage, warum freie Menschen ihre Brüste bedecken müssen, antwortet er schlicht: „Eine weltoffene Ausrichtung der Metropole Berlin setzt nicht die Nutzungsordnungen von Grünanlagen und Spielplätzen außer Kraft.“
Quellen
Stefan Jacobs (2021, 30. August) Wie viel FKK in der Hauptstadt erlaubt ist. Tagesspiegel. Abgerufen am 05.09.2021 von https://www.tagesspiegel.de/berlin/oben-ohne-in-berlin-wie-viel-fkk-in-der-hauptstadt-erlaubt-ist/27560656.html
Sonja Wurtscheid (2021, 02. Juli) Berliner Bezirksamt verteidigt Vorgehen gegen eine Frau ohne Oberteil. Tagesspiegel. Abgerufen am 05.09.2021 von https://www.tagesspiegel.de/berlin/fkk-verboten-berliner-bezirksamt-verteidigt-vorgehen-gegen-eine-frau-ohne-oberteil/27388066.html
(2019, 26. Juni) Brandenburg – Es kann so einfach sein! Potsdamer Neueste Nachrichten. Abgerufen am 05.09.2021 von https://www.pnn.de/brandenburg/nackter-rollerfahrer-gestoppt-brandenburg-es-kann-so-einfach-sein/24495138.html
(2021, 18. August) Berlin – Stadt der Freiheit und Kleiderordnung? Abgeordnetenhaus Berlin, Drucksache 18 /28 293. Abgerufen am 05.09.2021 von https://pardok.parlament-berlin.de/starweb/adis/citat/VT/18/SchrAnfr/S18-28293.pdf
(2016, 11. April) Lindner wirft Maas Spießigkeit vor. Zeit Online. Abgerufen am 05.09.2021 von https://www.zeit.de/politik/deutschland/2016-04/sexismus-werbung-heiko-maas-christian-lindner
Gesetz über Ordnungswidrigkeiten (OWiG) §118 Belästigung der Allgemeinheit. Abgerufen am 05.09.2021 von https://www.gesetze-im-internet.de/owig_1968/__118.html
Freikörperkultur: Wann man wo nackt sein darf. Deutsche Anwaltsauskunft. Abgerufen am 05.09.2021 von https://anwaltauskunft.de/magazin/leben/freizeit-alltag/freik%C3%B6rperkultur-wann-man-wo-nackt-sein-darf
Comments