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Rote Karotte

Keine Hilfe für Äthiopien


Ärzte ohne Grenzen und andere internationale Hilfsorganisation müssen das Krisengebiet Tigray in Äthiopien auf Anordnung der äthiopischen Behörden verlassen – obwohl Hilfe mehr denn je gebraucht wird.


Krieg in Tigray

Vergangenen Freitag gibt die Hilfsorganisation Ärzte ohne Grenzen (MSF) bekannt, dass sie aus der umkämpften Region Tigray in Äthiopien abzieht. Grund dafür ist die äthiopische Regierung: Sie hat MSF aufgefordert, das Gebiet zu verlassen.

Die Region Tigray im Norden von Äthiopien ist seit mehr als einem halben Jahr umkämpft: Ursprünglich regierte hier die Volksbefreiungsfront TPLF. Anfang November 2020 hat die äthiopische Regierung aber eine offensive gegen die TPLF gestartet, um die Macht über die „abtrünnigen“ Gebiete zurückzuerobern. Seitdem herrscht Krieg.

Hundertausende Menschen mussten fliehen. Auf der Flucht sind sie Plünderungen, Massaker und Vergewaltigungen ausgesetzt, wie von Hilfsorganisationen vor Ort berichtet wird. Außerdem mangelt es den Geflüchteten an Nahrung, Wasser und medizinischer Versorgung. Sie sind auf humanitäre Hilfe angewiesen.


Keine humanitäre Hilfe

Warum wird ausgerechnet dann, wenn so große Not herrscht, die Hilfe eingestellt? Die äthiopische Regierung hat angeordnet, dass MSF seine Hilfe zunächst für drei Monate aussetzt. Das heißt, alle Patient*innen mussten aus den behelfsmäßig eingerichteten Kliniken entlassen werden. Die äthiopischen Mitarbeitenden mussten ihre Arbeit einstellen. Sie halten sich in Bereitschaft, dürfen aber im Moment nicht helfen. Die internationalen Mitarbeitenden haben das Land verlassen.

Nicht nur MSF muss sich aus dem Krisengebiet zurückziehen. Auch die Organisation Norwegian Refugee Council wurde am 30. Juli aufgefordert, die Hilfeleistungen einzustellen. Seit 10 Jahren ist NRC in Äthiopien tätig – jetzt musste die Organisation ihre Sachen packen und gehen. Die Begründung der Regierung sei, so NRC: „Concerns about some NRC’s public messaging and compliance with certain rules and regulations”.

Ähnlich schwammig ist auch die Begründung für den Rauswurf der MSF. Es werden drei Gründe genannt:

  1. Die Organisation habe Mitarbeitende ohne Arbeitserlaubnis beschäftigt.

  2. Sie habe Fehlinformationen in den sozialen Medien verbreitet.

  3. Und sie habe illegal importierte Satellitentelefone genutzt.

Bemühen um eine gute Beziehung

Die Hilfsorganisation halten sich bedeckt zu den Anschuldigungen. Sie sind um gute Beziehungen mit der äthiopischen Regierung bemüht. Ihr Ziel ist es, so schnell wie möglich wieder ins Land zurückkehren zu dürfen. Deshalb äußern sie sich nicht öffentlich zu den Vorwürfen, sondern wirken diplomatisch auf die äthiopische Regierung ein, um eine Rückkehr zu erwirken – bisher ohne Erfolg.

Der Leiterin der USAID, Samantha Power, ist schließlich der Kragen geplatzt. Die USA sind der größte Spender in der Region, aber auch ihre Hilfssendungen – unter anderem hunderte Lastwagen voller Lebensmittel – werden nicht ins Land gelassen, während die Menschen verhungern. Nach mehreren diplomatischen Versuchen und einem Besuch bei dem äthiopischen Präsidenten Abiy sagte Samantha Power schließlich: „the Ehtiopian government is obstructin humanitarian aid an personnel, including land convoys and air access“

Vor einer so eindeutigen Schuldzuweisung schreckt die Hilfsorganisation MSF bisher zurück. Sie betont stattdessen in einer Pressemitteilung die Leistungen, die MSF in den ersten sechs Monaten dieses Jahres erbracht hat:

  • 212.000 Menschen wurden ambulant behandelt

  • 3.900 Menschen wurden stationär behandelt

  • 3.300 Menschen wurden psychologisch betreut

  • 1.500 Frauen wurden bei der Entbindung unterstützt

Diese Zahlen zeigen, wie groß die Not und die Hilfsbedürftigkeit in der Region ist. Ein Aussetzen der Hilfeleistung hat katastrophale humanitäre Folgen.


Taktisches Kalkül mit Menschenleben

Im Moment hat die Volksbefreiungsfront TPLF die Oberhand in der Region und die meisten Gebiete unter militärischer Kontrolle. Die äthiopische Regierung erhöht nun den Druck, indem sie die Region von allen Hilfsgütern abschneidet. Eine taktische Maßnahme, die zu Lasten der Menschen geht und sie vielleicht das Leben kostet.

 

Quellen


(2021, 11. September) Ärzte ohne Grenzen stellt Arbeit in Äthiopien weitgehend ein. ORF. Abgerufen am 12.09.2021 von https://orf.at/stories/3228094/


(2021, 10. September) „Ärzte ohne Grenzen“ stellen Arbeit in Äthiopien weitgehend ein. Deutschlandfunk. Abgerufen am 12.09.2021 von https://www.deutschlandfunk.de/behoerden-vorwuerfe-aerzte-ohne-grenzen-stellen-arbeit-in.2932.de.html?drn:news_id=1300114


(2021, 10. September) Ärzte ohne Grenzen muss weiterhin Hilfe für Bevölkerung aussetzen. Ärzte ohne Grenzen. Abgerufen am 12.09.2021 von https://www.aerzte-ohne-grenzen.de/presse/aethiopien-aussetzung


(2021, 08. September) Ethiopia’s Tigray crisis: TPLF says 150 have died of starvation. BBC. Abgerufen am 12.09.2021 von https://www.bbc.com/news/world-africa-58428711


(2021, 08. September) NRC update on suspension of operations in Ethiopia. NRC. Abgerufen am 12.09.2021 von https://www.nrc.no/news/2021/september/nrc-update-on-suspension-of-operations-in-ethiopia/


(2021, 03. September) Ethiopia’s Tigray crisis: What’s stopping aid getting in? BBC. Abgerufen am 12.09.2021 von https://www.bbc.com/news/57929853


(2021, 20. August) Ethiopia’s Tigray crisis: US accuses Abiy’s government of clocking aid. BBC. Abgerufen am 12.09.2021 von https://www.bbc.com/news/world-africa-58279442


(2021, 04. August) Statement on the suspension of programmes in Ethiopia. NRC. Abgerufen am 12.09.2021 von https://www.nrc.no/news/2021/august/statement-on-the-suspension-of-programmes-in-ethiopia/


Die aktuelle Situation in Äthiopien. Ärzte ohne Grenzen. Abgerufen am 12.09.2021 von https://www.aerzte-ohne-grenzen.de/unsere-arbeit/einsatzlaender/aethiopien


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