Sie stehen aufgereiht am Hauptbahnhof, in knallbunten Farben: E-Scooter. Alles elektrisch, alles verleihbar. Die mobilen Sharing-Angebote in Berlin präsentieren sich am Hauptbahnhof von ihrer besten Seite: Reihe in Reihe, ordentlich aufgestellt und bereit zur Abfahrt. Man schnappt sich ein Gefährt, rollt bequem durch die Innenstadt und parkt es anschließend einfach irgendwo.
Aber seitdem es die mobilen Zweiräder gibt, ist eine Diskussion losgerollt, die kaum noch zu bremsen ist: Von den einen werden sie gefeiert als Treiber der Mobilitätswände, von den anderen niedergemacht als Verkehrsbehinderung und Verunglimpfung des Stadtbildes.
Auch die Politik wird von dem Streit überrollt, und muss sich jetzt für eine Spur entscheiden: Nutzen die geparkten Sharing-Angebote dem Gemeingebrauch oder handelt es sich um eine Sondernutzung?
Wenn der Hauptzweck eines Fahrzeuges dem Gemeingebrauch nutzt, ist es erlaubnisfrei.
Wenn ein Fahrzeug eine Sondernutzung darstellt, ist es erlaubnispflichtig. Das ist dann der Fall, wenn der Hauptzweck nicht der Gemeinschaft, sondern beispielsweise gewerblichen Zwecken dient und insbesondere, wenn das Fahrzeug die Gemeinschaft gefährdet.
Der Deutsche Bundestag hat am 6. April 2020 eine Stellungnahme dazu verfasst, inwieweit E-Scooter Gemeingebrauch oder Sondernutzung seien. Fazit ist: Es gibt keine eindeutige Rechtslage. Also werden ein paar Vergleiche angeführt:
1982: Mietwagen sind Gemeingebrauch
2009: Auch Mietfahrräder sind Gemeingebrauch
1998: Pferdekutschen sind Sondernutzung
2012: BierBikes sind Sondernutzung
Wo findet sich da der E-Scooter wieder?
Für eine Sondernutzung spricht, dass geparkte E-Scooter eine gewerbliche Leistung erbringen (sie machen Werbung) und die Roller teilweise Verkehrsbeeinträchtigend sind (sie stehen im Weg). Für den Gemeingebrauch hingegeben spricht, dass der Hauptzweck nicht gewerblich ist. Die Scooter müssen schließlich irgendwo geparkt werden, um möglichst flexibel einsetzbar zu sein. Die Werbebotschaft ist nebensächlich.
Das Land Bremen definiert die Roller bereits als Sondernutzung. Ausschlaggebend für das Urteil war der Unfall eines blinden Bremers, der 2020 über einen Roller stolperte, stürzte und klagte, dass die Scooter kein Gemeingebrauch sein dürften. Denn sie gefährden Fußgänger. Die Klage wird momentan außergerichtlich verhandelt, aber das Land hat bereits reagiert: E-Scooter in Bremen brauchen eine Sondernutzungserlaubnis.
Das Land Berlin drückt jetzt auch aufs Gas: Die grüne Verkehrssenatorin Regine Günther hat einen Gesetzesentwurf ausgearbeitet, der gerade bei den Berliner Bürgermeistern und Bürgermeisterinnen zur Prüfung vorliegt. Darin vorgesehen ist, dass Mietfahrzeuge (nicht nur E-Scooter) nur noch als Sondernutzung zugelassen werden sollen. Das würde bedeutet, dass sie ein Vergabeverfahren durchlaufen müssen. So sollen die Anbieter dazu verpflichtet werden, nicht nur die Innenstadt, sondern auch die Randbezirke zu bedienen. Außerdem sollen Sondernutzungsgebühren erhoben werden. Um das verwaltungstechnisch zu stemmen, sind fünf neue Stellen in der Senatsverwaltung geplant.
Die Empörung der Anbieter ist groß und auch der Mobilitätsforscher Andreas Knie bezeichnet das Gesetz als „Todesstoß“ für die Branche. Ob es so weit kommen wird, bleibt abzuwarten. In Bremen zumindest haben die Anbieter Voi und Tier ihren Bestand gerade von 500 auf 750 Roller vergrößert.
Quellen
(2020, 06. April) E-Scooter – Gemeingebrauch oder Sondernutzung? Deutscher Bundestag. Abgerufen am 02.05.2021 von https://www.bundestag.de/resource/blob/693762/918c7310444ff7be42b17a0cd310c541/WD-3-063-20-pdf-data.pdf
Claudius Prösser (2020, 09. November) Wer shart, soll zahlen. Taz. Abgerufen am 02.05.2021 von https://taz.de/Wer-shart-soll-zahlen/!5724186/
Peter Neumann (2021, 12. April) Neues Gesetz: Berlin bereitet schärfere Regeln für E-Scooter und Carsharing vor. Berliner Zeitung. Abgerufen am 02.05.2021 von https://www.berliner-zeitung.de/mensch-metropole/neues-gesetz-berlin-bereitet-schaerfere-regeln-fuer-e-scooter-und-carsharing-vor-li.152071
(2021, 13. April) Neue Regelungen für Mietfahrzeuge im öffentlichen Straßenland. Pressemitteilung des Landes Berlin. Abgerufen am 02.05.2021 von https://www.berlin.de/rbmskzl/aktuelles/pressemitteilungen/2021/pressemitteilung.1074412.php
Andreas Wilke (2021, 14. April) Berliner Senat will E-Stehroller und andere Mietfahrzeuge stärker regulieren. Heise.de. Abgerufen am 02.05.2021 von https://www.heise.de/news/Berliner-Senat-will-E-Stehroller-und-andere-Mietfahrzeuge-staerker-regulieren-6015425.html
Andreas Wilkens (2021, 30. April) E-Stehroller-Verleiher sollen in Bremen verunglückte Behinderte unterstützen. Heise.de. Abgerufen am 02.05.2021 von https://www.heise.de/news/E-Stehroller-Verleiher-sollen-in-Bremen-verunglueckte-Behinderte-unterstuetzen-6032706.html
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