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Vatikan vs. Italien: Kampf um den Regenbogen

Rote Karotte

Während die Welt empört nach Ungarn schaut, zeigt der Vatikan sich weitgehend unbeachtet von seiner homophoben Seite: Der Kirchenstaat beschwert sich über den Gesetzesentwurf Legge Zan, der Hass gegen Homosexuelle unter Strafe stellen soll.


Das Legge Zan

Das Gesetz Legge Zan ist nach dem sozialdemokratischen Abgeordneten Alessandro Zan benannt, der federführend für den vierseitigen Gesetzestext verantwortlich ist. Im November 2020 wurde es von der italienischen Abgeordnetenkammer gebilligt, die finale Abstimmung im Senat steht noch aus.

Das Gesetz stellt Hass gegen Homosexuelle, Transmenschen, Frauen und Menschen mit Behinderungen gleichermaßen unter Strafe wie Rassismus. Es ist also ein Gesetz gegen Hass und Diskriminierung aller Art.

Dem zur Seite gestellt ist eine verpflichtende Aufklärungsarbeit, um eine „Kultur des Respekts“ zu fördern. Es muss Unterrichtseinheiten und Veranstaltungen an allen italienischen Schulen geben, die rund um das Thema Homo- und Transsexualität aufklären. Insbesondere am 17. Mai, dem nationalen Tag gegen Homo- und Transphobie, soll es Aufklärungsveranstaltungen geben.

Ein weiteres wichtiges Detail: Mit dem Gesetz soll erstmals der Begriff „Geschlechteridentität“ ins italienische Strafrecht eingeführt werden.


Das stört die Kirche

Die katholische Kirche predigt Nächstenliebe und Toleranz. Insofern müsste ein Gesetz gegen Hass und Diskriminierung eigentlich genau in ihrem Sinne sein. Dennoch legt der Botschafter des Vatikans offizielle Beschwerde ein – zum ersten Mal überhaupt. Was stört die Kirche?

Im Vatikan glaubt man nicht nur an Liebe und Toleranz, sondern auch, dass es nur zwei Geschlechter gibt, nämlich Mann und Frau, und dass es nur eine richtige sexuelle Verbindung zwischen diesen beiden gibt, nämlich Mann + Frau. Das ist gottgegeben, da lässt sich nicht dran rütteln.

Konkret stört die Kirche folgendes:

  1. Das Gesetz sei zu „vage formuliert“. Was ist Diskriminierung?! Die italienischen Bischöfe fragen sich: Ist schon ein Hinweis darauf, dass es einen Unterschied zwischen Mann und Frau gibt, strafbar? Nein, natürlich nicht. Das dürfte auch den katholischen Glaubensträgern bewusst sein, die weniger besorgt, als viel eher polemisch mit solchen Fragen Stimmung machen. Nichtsdestotrotz hat der Vatikan recht, wenn er auf mögliche „Schwierigkeiten bei der Auslegung“ hinweist. Allerdings ist das kein no-go für ein Gesetz.

  2. Konkreter wird der Protest, wenn es um die Aufklärungsarbeit geht: Der Vatikan betreibt katholische Schulen und möchte nicht, dass ihm der italienische Staat dabei reinpfuscht. Es sei nichts rechtens, wenn der Staat die Kirche zwinge, Aufklärungsarbeit zum Thema Homo- und Transsexualität zu lehren.

  3. Das Gesetz verbreite „Genderideologie“. Durch die Einführung des Begriffs Geschlechteridentität werden die biologischen Geschlechter Mann und Frau aufgeweicht und das Geschlecht zu einem sozialen Konstrukt. Aus Perspektive des Vatikans ist das aber falsch: Mann und Frau sind gottgegebene Tatsachen, an denen nicht zu rütteln ist.


Welche Rechte hat die Kirche?

Die Kirche beruft sich in ihrer Beschwerde auf das Konkordat zwischen Vatikan und Italien aus dem Jahr 1984. Darin wurden religiöse und zivilrechtliche Angelegenheiten zwischen den zwei Staaten geregelt. Unter anderem findet sich dort der Verweis auf die Gewissensfreiheit, auf den der Vatikan sich jetzt beruft. Demnach habe Italien kein Recht, in die Lehre an katholischen Kirchen hineinzupfuschen.

Tatsächlich wurde das Konkordat aber unter ganz anderen Vorzeichen unterschrieben. Die Kirche, damals darum bemüht, auch mit anderen Ländern Verträge abzuschließen, setzte ein Zeichen für Toleranz und Offenheit. So erkennt sie beispielsweise die Zivilehe an und akzeptiert auch das Recht auf Scheidung. Und sie einigt sich mit Italien darauf, dass Religion kein Pflichtfach an Schulen sei. In einem Artikel von 1984 nennt die ZEIT das „verbriefte Toleranz“. Bei der Unterzeichnung grüßt der damalige italienische Kardinal Casseroli sogar: „Bürger anderen religiösen Glaubens oder verschiedener ideologischer Überzeugungen, denen in diesem Augenblick mein respektvoller und – wenn es mir erlaubt ist – herzlicher Gedanke gilt.“

Ziel des Vertrages von 1984 ist es, „den politischen und sozialen Veränderungen in Italien“ sowie den „Entwicklungen in der Kirche Rechnung zu tragen“, heißt es in der Präambel. Vor fast 30 Jahren strebt die Kirche also danach, mit der Zeit zu gehen. Ihr heutiger Protest gegenüber einem Anti-Diskriminierungs-Gesetz scheint dem eher entgegen gerichtet.


Was nun?

Italien und der Vatikan sind zwei unabhängige Staaten, wie von Seiten der italienischen Regierung auch prompt betont wurde. Soll heißen: Der Protest wurde zur Kenntnis genommen, ändert aber nichts. Rechtswissenschaftler sind sich außerdem darin einig, dass das Konkordat mit dem Legge Zan nicht verletzt werden würde. Es bleibt also dem italienischen Parlament überlassen, ob es ein Gesetz zum Schutz sexueller Minderheiten erlassen will oder nicht.

 

Quellen


(1984, 24. Februar) Abschied von der „heiligen Stadt“. Die Zeit. Abgerufen am 27.06.2021 von https://www.zeit.de/1984/09/abschied-von-der-heiligen-stadt/seite-2


(2021, 22. Juni) Vatikan geht gegen italienisches Gesetz gegen LGBTI-Feindlichkeit vor. Queer.de. Abgerufen am 27.06.2021 von https://www.queer.de/detail.php?article_id=39214


Oliver Meiler (2021, 23. Juni) Vatikan protestiert gegen Gesetz zum Schutz von Homosexuellen. Süddeutsche Zeitung. Abgerufen am 27.06.2021 von https://www.sueddeutsche.de/politik/vatikan-italien-homosexuelle-transmenschen-protest-1.5331373


(2021, 23. Juni) Vatikan bekämpft Anti-Homophobie-Gesetz. Tagesschau. Abgerufen am 27.06.2021 von https://www.tagesschau.de/ausland/europa/italien-anti-homophopiegesetz-streit-101.html


Andreas Wysling (2021, 24. Juni) Rom gegen Rom – der Vatikan befeuert die italienische Regenbogen-Debatte. Neue Züricher Zeitung. Abgerufen am 27.06.2021 von https://www.nzz.ch/international/streit-zwischen-dem-vatikan-und-italien-wegen-lgbt-gesetz-ld.1631961


(2021, 25. Juni) Vatikan hat Bedenken gegen Anti-Homophobie-Gesetz. Vatican News. Abgerufen am 27.06.2021 von https://www.vaticannews.va/de/vatikan/news/2021-06/vatikan-homophobie-italien-recht-kritik-parolin-zan-lgbt-sex.html


(2021, 25. Juni) Vatikan bestreitet Einmischung bei italienischem LGBTI-Gesetz. Queer.de. Abgerufen am 27.06.2021 von https://www.queer.de/detail.php?article_id=39249


Staatskirchenvertrag. Wikipedia. Abgerufen am 27.06.2021 von https://de.wikipedia.org/wiki/Staatskirchenvertrag

 
 
 

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