Am Donnerstag den 22.10.2020 hat das EU-Parlament über die Agrarreform abgestimmt. Über grundsätzliche Dinge (Kriegt der Bauer mit dem meisten Land am meisten Geld oder spielen auch ökologische Faktoren eine Rolle?) und über die Vegi-Wurst.
Es standen zwei Vorschläge zur Abstimmung: Im Hardcore-Vorschlag wird gefordert, dass Vegi-Produkte nicht als Wurst, Schnitzel oder Burger bezeichnet werden dürfen. Sie sind schließlich nicht aus Fleisch und ein solche Bezeichnung würde den Verbraucher täuschen.
Im Kompromiss-Vorschlag darf die Wurst zwar vegetarisch sein darf, muss aber eindeutig als vegetarisch auf der Packung kenntlich gemacht werden und es darf keinen anatomischen Bezug zur „echten“ Wurst geben. Soll heißen: Die Vegi-Wurst soll nicht aussehen wie die Fleisch-Wurst.
Wie lässt sich dieser Vorschlag begründen? Etymologisch macht es keinen Sinn, Bezeichnungen wie Wurst, Schnitzel oder Burger exklusiv für Fleischprodukte zu nutzen:
Der Ursprung des Wortes Wurst ist ungewiss. Bei dem englischen sausage oder dem französischem saucisse ist aber klar: Es stammt vom lateinischen salsicus und besagt nichts anderes als durch Salz haltbar gemacht.
Das Wort Schnitzel kommt von Schneiden. Schnitzeln hieß, Figuren oder Ornamente aus Holz herausschneiden.
Burger ist die Verkürzung für Hamburger, was wahrscheinlich für die Stadt Hamburg steht – warum ist allerdings unklar.
Die offizielle Begründung ist der Schutz des Konsumenten vor Täuschung: Die vegetarische Wurst sei schlichtweg kein „ehrlicher“ Produktname, beklagt der Deutsche Bauernverband, und dieser Täuschung müsse Einhalt geboten werden!
Die Tagesschau bezeichnete die Vorschläge unverblümt als „Antrag der Agrarlobby“. Aber nicht zum Wohle des Verbrauchers, sondern weil dem Bauern die Vegi-Wurst Spinnefeind ist: Wer vegetarischen Produkte verspeist, konsumiert weniger Fleisch. Die Einflussreiche Agrarlobby hat deshalb dafür gesorgt, dass der Agrarausschuss den Vorschlag aufnimmt und dem Parlament zur Abstimmung vorlegt.
Das EU-Parlament aber hat am Donnerstag beide Vorschläge abgelehnt.
Ende der Wurst? Noch nicht ganz: Bei Milchalternativen stimmte das EU-Parlament für strengere Bezeichnungsregeln. Bereits 2017 hat der Europäische Gerichtshof beschlossen, dass Produkte, die nicht aus einer „normalen [1] Eutersektion“ stammen, nicht als Milch bezeichnet werden dürfen. So wurde aus Hafermilch der Haferdrink. Selbige Restriktionen gelten jetzt auch für Käse und Butter. Außerdem dürfen keine Ausdrücke mehr verwendet werden, die eine Ähnlichkeit andeuten. Verboten ist demnach so etwas wie: „Gelber Batzen, ähnlich wie Käse“. Die Marketing Abteilung muss jetzt also kreativ werden. Weiterhin erlaubt sind klassische Begriffe wie Kokosmilch und Kakaobutter.
[1] Was heißt eigentlich „normal“?
Quellen
(2020, 23. Oktober) Veggie-Burger bleiben Veggie-Burger. Tagesschau. Abgerufen am 25.10.2020 von https://www.tagesschau.de/wirtschaft/veggie-burger-eu-parlament-101.html
(2020, 23. Oktober) Vegane Wurst darf auch weiter so heißen. Der Spiegel. Abgerufen am 25.10.2020 von https://www.spiegel.de/wirtschaft/service/veggie-produkte-eu-parlament-lehnt-bezeichnungsverbot-ab-a-3397c08e-8a5d-4260-b9f0-56ee4a4c13b4
(2017, 14. Juni) Tofubutter darf nicht Tofubutter heißen. Der Spiegel. Abgerufen am 25.10.2020 von https://www.spiegel.de/wirtschaft/service/europaeischer-gerichtshof-tofubutter-darf-nicht-tofubutter-heissen-a-1152075.html
Sebastian Fellner (2020, 20. Oktober) Abstimmung in EU-Parlament: Veggie ist doch Wurst. Der Standard. Abgerufen am 25.10.2020 von https://www.derstandard.de/story/2000121035794/abstimmung-in-eu-parlament-veggie-ist-doch-wurst
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