Am Freitag den 11.12.2020 erklärte das Verfassungsgericht die Datennutzung der „Antiterrordatei“ für teilweise verfassungswidrig – schon wieder!
Die Antiterrordatei wurde 2007 erstellt. Unter dem Dach des Bundeskriminalamts (BKA) werden hier Daten aus dem Bereich des internationalen Terrorismus gespeichert.
Das besondere dabei: Zugriff haben sowohl Polizeibehörden, als auch Nachrichtendienste. So soll der Informationsaustausch zwischen den Behörden intensiviert und zu beschleunigt werden. Erlaubt wurde das durch ein Gesetz mit dem sprechenden Namen „Gemeinsame-Dateien-Gesetz“.
Gespeichert werden sowohl Grunddaten, zum Beispiel der Name, als auch erweiterte Grunddaten, zum Beispiel besuchte Orte und genutzte Internetseiten. 2017 umfasste die Datei die Daten von ca. 10.000 Personen.
2013 aber verkündet das Verfassungsgericht, dass das „Gemeinsame-Dateien-Gesetz“ zum Teil verfassungswidrig ist. Der Bundestag muss also nachbessern und beschließt 2014 eine Reform: Es sollen nicht mehr die bestehenden Daten selbst abrufbar sein, sondern nur noch eine statistische Auswertung. Anstatt der Rohdaten haben Polizeibehörden und Nachrichtendienste nun also nur noch auf ein Datenmuster Zugriff. Eine solche Auswertung nennt man auch „Data-Mining“.
Letzten Freitag urteilt das Verfassungsgericht erneut: Immer noch verfassungswidrig!
In beiden Gesetzesversionen werde das Recht auf informationelle Selbstbestimmung verletzt. Dieses Grundrecht besagt, dass jeder selbst über die Preisgabe und Verwendung seiner personenbezogenen Daten entscheiden kann – niemand sonst.
Insofern ist jede Datei mit personenbezogenen Daten eine heikle Angelegenheit. Grundsätzlich haben die Behörden Spielraum, wenn es um den Schutz vor Gefahren wie den internationalen Terror geht. Das Problem der Antiterrordatei ist also nicht, dass darin personenbezogene Daten gespeichert werden, sondern dass diese Daten sowohl von Polizeibehörden, als auch Nachrichtendiensten abrufbar sind.
Denn das ist aufgrund des Trennungsverbots problematisch. Während die Polizei operativ und im Offenen arbeitet, ist es die Aufgabe der Geheimdienste zu beobachten und aufzuklären, also im Verdeckten zu arbeiten. Insofern haben die beiden verschiedene Herangehensweisen: Nachrichtendienste werden bereits im Vorfeld der Gefahrenabwehr tätig. Erkenntnisse können noch ungesichert sein. Die Polizei hingegen darf erst eingreifen, wenn harte Fakten vorliegen, denn sie kann auf Grundlage ihrer exekutiven Rechte wesentlich stärker in die Grundrechte eingreifen.
Daher, so das Urteil des Verfassungsgerichts, ist der Datenaustausch zwischen Polizei und Nachrichtendienst ein unrechtmäßiger Austausch von personenbezogenen Daten – auch dann noch, wenn nicht die Rohdaten, sondern nur Datenmuster ausgetauscht werden.
Geht das Gesetz jetzt in die dritte Verbesserungsrunde? Ein Datenaustausch wird verfassungsrechtlich problematisch bleiben – und ist doch der Kern vom „Gemeinsame-Daten-Gesetz“. Insofern ist es keine Überraschung, dass FDP-Obmann Benjamin Strasser das Gesetz schon als „totes Pferd“ abschreibt.
Quellen
Leonard Kamps (2020, 11. Dezember) Datamining in Antiterrordatei für Strafverfolgung war verfassungswidrig. Netzpolitik.org. Abgerufen am 13.12.2020 von https://netzpolitik.org/2020/urteil-des-bundesverfassungsgerichts-datamining-in-antiterrordatei-fuer-strafverfolgung-war-verfassungswidrig/
Anti-Terror-Datei – Folgen des Urteils des Bundesverfassungsgerichts. Bundesbeauftrage für den Datenschutz und die Informationsfreiheit (BfDI). Abgerufen am 13.12.2020 von https://www.bfdi.bund.de/DE/Datenschutz/Themen/Sicherheit_Polizei_Nachrichtendienste/RegisterDatenbankenArtikel/Anti-Terror-Datei.html
(2020, 11. Dezember) Karlsruhe kippt Datenauswertung aus Antiterrordatei. Zeit Online. Abgerufen am 13.12.2020 von https://www.zeit.de/news/2020-12/11/datenauswertung-im-antiterrorkampf-verfassungswidrig
Antiterrordatei (ATD). Bundesamt für Verfassungsschutz. Abgerufen am 13.12.2020 von https://www.verfassungsschutz.de/de/service/glossar/anti-terror-datei-atd
(2017, 10. März) Das Recht auf informationelle Selbstbestimmung. Bundeszentrale für politische Bildung. Abgerufen am 13.12.2020 von https://www.bpb.de/gesellschaft/digitales/persoenlichkeitsrechte/244837/informationelle-selbstbestimmung
(2020, 11. Dezember) Datenauswertung im Antiterrorkampf teilweise verfassungswidrig. Frankfurter Allgemeine. Abgerufen am 13.12.2020 von https://www.faz.net/aktuell/politik/inland/datenauswertung-im-antiterrorkampf-teilweise-verfassungswidrig-17096841.html
Marlene Grunert (2020, 11. Dezember) Nutzung der Antiterrordatei teilweise verfassungswidrig. Frankfurter Allgemeine. Abgerufen am 13.12.2020 von https://www.faz.net/aktuell/politik/inland/nutzung-der-antiterrordatei-teilweise-verfassungswidrig-17097595.html
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