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Rote Karotte

Mama, (Mama), Kind


Wie wird man ein Elternteil? Diese scheinbar einfache Frage ist in Deutschland gar nicht so leicht zu beantworten – zumindest für gleichgeschlechtliche Paare.


Eindeutig ist es bei der gebärenden Mutter, sie wird automatisch als Mutter des Kindes rechtlich anerkannt.

Um als zweites Elternteil rechtlich anerkannt zu werden, muss man im Standesamt eine Erklärung abgeben. Im Falle von Frau und Mann eine reine Routine-Abfertigung. Einmal Nicken und Unterschreiben, schon hat das neugeborene Kind zwei Elternteile, Mutter und Vater. Wenn es sich aber um eine zweite Mutterschaft handelt, stellt sich das bürgerliche Gesetzbuch quer. Denn darin ist nur die Rede von Vaterschaftsanerkennung, eine zweite Mutter kommt nicht vor.


Wenn also zwei Frauen, glücklich verheiratet, beschließen gemeinsam ein Kind zu bekommen, kann das zum Beispiel so ablaufen: Mit Hilfe einer anonymen Samenspende wird eine der beiden befruchtet. Sie trägt das Kind aus und wird automatisch zur Mutter erklärt. Ihre Ehepartnerin aber wird nicht als Mutter des gemeinsamen Kindes anerkannt. Das Kind hat also nur ein Elternteil und damit extreme Nachteile: Sollte beispielsweise die zweite Mutter sterben, hat das Kind keinen Anspruch auf Versorgungssicherheit. Und wenn sich die Eltern trennen, gibt es keinen rechtlichen Anspruch auf Tantiemen.


Worin besteht aber der Unterschied zwischen Vaterschaft und zweiter Mutterschaft? Es hat nichts mit der biologischen Zeugung zu tun, denn hier geht es um die rechtliche Elternschaft, nicht die biologische. Um in Deutschland als Vater anerkannt zu werden, gibt es drei Möglichkeiten:

  1. Man ist mit der gebärenden Frau verheiratet.

  2. Man erkennt die Vaterschaft an.

  3. Die Vaterschaft wird gerichtlich festgestellt.

Um als zweite Mutter anerkannt zu werden, gibt es nur eine:

  1. Adoption.

Selbst wenn die zwei Frauen verheiratet sind, gilt nur die gebärende Frau als Mutter. Ihre Partnerin ist rechtlich gesehen kein Elternteil, trotz Eheschließung. Stattdessen bleibt nur die Adoption. Aber dieser Prozess kann Jahre dauern und greift tief in die Privatsphäre des Paares ein: Das Jugendamt kommt ins Haus, stellt intime Fragen und überprüft unter anderem die finanzielle Situation.


Als am 1. Oktober 2017 die gleichgeschlechtliche Ehe vom Bundestag beschlossen wurde, war der Jubel groß: Es war ein wichtiger Schritt auf dem Weg zur Gleichberechtigung. Aber wie gleichberechtigt kann eine Ehe sein, wenn sie nicht das gleiche Recht auf Elternschaft gibt?

Es hat fast drei Jahre gedauert, bis am 5. August 2020 eine Reform des Abstammungsrechts angekündigt wurde. Das bürgerliche Gesetzbuch soll um den Zusatz erweitert werden, eine zweite Mutterschaft anzuerkennen, wenn das Paar verheiratet ist. Seither dauert die Meinungsbildung im Bund an. Soll heißen: Die Reform liegt seit über einem halben Jahr auf Eis.

Doch vergangene Woche geschahen gleich drei wichtige Ereignisse, die dem Reformantrag neuen Schwung verleihen könnten:

  • Am 24.03.2021 entscheid das Oberlandesgericht in Celle zu Gunsten von zwei Frauen und erklärte es für verfassungswidrig, dass ihre Tochter nur ein Elternteil hat.

  • Am 25.03.2021 entschied das Berliner Kammergericht in einem ähnlichen Verfahren genauso. Beide Fälle gehen jetzt nach Karlsruhe und werden dort vom obersten deutschen Gericht, dem Bundesverfassungsgericht, geklärt.

  • Am 26.03.2021 brachte das Land Berlin einen Entschließungsantrag in den Bundesrat ein. Soll heißen, Berlin drückt jetzt auf die Tube und fordert, dass endlich auf Bundesebene eine Reform vorangetrieben wird.

Bis auf Weiteres aber gilt: Um rechtlich anerkanntes Elternteil zu werden reicht es nicht, dass man das gemeinsame Kind liebt, pflegt und aufzieht. Es reicht auch nicht, dass man mit der biologischen Mutter verheiratet ist und glücklich zusammenlebt. Um in Deutschland als zweites Elternteil rechtlich anerkannt zu werden braucht es auch heute noch einen Penis.

 

Quellen


Deniela Turß (2021, 24. März) Abstammungsrecht verletzt Grundrechte queerer Eltern und ihrer Kinder: Oberlandesgericht Celle legt GFF-Fall dem Bundesverfassungsgericht vor. Gesellschaft für Freiheitsrechte. Abgerufen am 28.03.2021 von https://freiheitsrechte.org/pm-akkermann-bverfg/


(2021, 16. März) Abstammungsrecht reformieren – Alle Familien gleichstellen. Berlin startet eine Bundesratsinitiative. Abgerufen am 28.03.2021 von https://www.berlin.de/sen/justva/presse/pressemitteilungen/2021/pressemitteilung.1065106.php


Jasmin Kalarickal (2020, 21. August) Mutter, Mutter, Kind. Taz. Abgerufen am 28.03.2021 von https://taz.de/Gesetzesentwurf-Abstammungsrecht/!5703386/


Reform im Abstammungsrecht: Regenbogenfamilien endlich rechtlich absichern. Lesben- und Schwulenverband. Abgerufen am 28.03.2021 von https://www.lsvd.de/de/ct/2506-Reform-im-Abstammungsrecht-Regenbogenfamilien-endlich-rechtlich-absichern


(2021, 16. März) Senat will mit Bundesratsinitiative lesbische Ehepaare stärken. RBB. Abgerufen am 28.03.2021 von https://www.rbb24.de/politik/beitrag/2021/03/berlin-senat-behrendt-lesbische-paare-kind-abstammungsrecht.html


(2021, 25. März) Auch Berliner Fall zu zwei Müttern geht ans Bundesverfassungsgericht. RBB. Abgerufen am 28.03.2021 von https://www.rbb24.de/politik/beitrag/2021/03/berlin-kammergericht-bundesverfassungsgericht-zwei-mutter.html


(2021, 26. März) Berlin will Abstammungsrecht für lesbische Ehepaare reformieren. RBB. Abgerufen am 28.03.2021 von https://www.rbb24.de/politik/beitrag/2021/03/berlin-will-abstammungsrecht-fuer-lesbische-ehepaare-reformieren.html


Stefan Ruwoldt (2021, 16. Februar) Wenn sich eine Mutter die Elternschaft erklagen muss. RBB. Abgerufen am 28.03.2021 von https://www.rbb24.de/politik/beitrag/2021/02/gleichgeschlechtliche-paare-ehen-kinder-mutterschaft-klagen-annerkennung-eltern-berlin.html

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