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Hin und Weg: Mehrwegpfand für To-Go


„Essen To-Go ist toll, aber der Verpackungsmüll ist ätzend!“ Stöhnen heute viele, wenn sie vor einem leergefutterten Berg aus Plastik und Alu sitzen. Bald sollen die Kunden eine Wahl haben: Zwischen Verpackungsmüll und Mehrweg.


Ein Gesetz wird gekocht

Am 2. Juli 2019 hat die Europäische Union die Richtlinie 2019/904 beschlossen, die sogenannte Einwegkunststoffrichtlinie. Darin verpflichtet die Union alle Mitgliedstaaten, vermehrt auf Mehrweg zu setzen. Knapp 1 ½ später entscheidet das Deutsche Bundeskabinett über eine Gesetzesnovelle zum Verpackungsgesetz, mit der die Richtlinie der EU ins Deutsche Recht gegossen werden soll. Ein Kerngedanke: Ab 2023 sind all jene Läden, die Essen oder Getränke verkaufen, dazu verpflichtet eine Mehrwegverpackung anzubieten.

Anschließend landet der Entwurf beim Bundestag. Die Abgeordneten lesen und überarbeiten den Text, bis er Mitte dieser Woche vor dem Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit zur Abstimmung bereit liegt. Die Opposition stimmt zwar geschlossen dagegen, aber die Koalitionsfraktion hat die Mehrheit und kann sich so durchsetzen. Einen Tag später, am 6.5. hat der Bundestag die Gesetzesnovelle verabschiedet.


Was darf's denn sein?

Viele Cafés und Restaurants haben, insbesondere auf Grund von Corona, bereits eigene Pfandsysteme etabliert. Die Kundin kauft ihrEssen im restaurant-eigenen Pfandbehälter und bringt ihn zurück, wenn siedas nächste Mal hier isst. Das funktioniert allerdings nur für Stammlokale mit Geschirrspülmaschine und genug Lagerplatz.

Neben diesen privaten Lösungen gibt es auch großangedachte Ideen, beispielsweise von reCIRCLE, oder Recup. Das Konzept funktioniert ganz klassisch: Kunden holen sich zum Beispiel einen Kaffee-To-Go, zahlen Pfand für den Becher, und können ihn jederzeit in einem der mitmachenden Geschäfte zurückbringen.

Alternativ zum Pfandbecher gibt es auch digitale Merhwegsysteme, zum Beispiel von Vytal oder Relevo. Hier registriert man sich per App und erhält den Behälter Gratis. Kunden haben dann 14 Tage Zeit, ihn bei einem der teilnehmenden Geschäfte zurückzubringen. Tun sie das nicht, wird automatisch eine Gebühr abgebucht. Ein klarer Vorteil dieses Systems ist, dass die Becher nicht ungenutzt im Schrank verstauben.


Der Markt schwingt den Kochlöffel

Das Pfandsystem ist ein Geschäftsmodell. Bei dem Unternehmen Recup beispielsweise zahlen die teilnehmenden Cafés zunächst einmal 1 € Pfand pro Becher. Den kriegen sie zurückerstattet, wenn sie den Becher zurückgeben sollten. Außerdem müssen die Cafés jeden Monat eine sogenannte „Systemgebühr“ an das Unternehmen zahlen. Besonders erfolgreich wird dieses Modell, wenn viele Cafés mitmachen. Denn ein neues Café macht kaum Mehrarbeit, weil das Werbematerial bereits produziert ist. Aber mit jedem Café oder Restaurant steigt der Umsatz des Unternehmens.

Das beschlossene Gesetz dürfte dem Markt darüber hinaus einen ordentlichen Schubser geben.

Allerdings heißt das auch, dass der Markt mit Angeboten überschwemmt werden wird. Es gibt viele Insellösungen; hier das eine Pfandsystem, dort das andere. Erst mit der Zeit wird sich der ein oder andere Marktführer herauskristallisieren (ähnlich wie bei den Sharing-Angeboten).


Brotkrümel unterm Tisch

Die bisherigen Pfandsysteme bauen darauf, dass die Cafés und Restaurants ihre Behälter selbst reinigen. Denn das Einsammeln und Reinigen der Pfandbehälter wäre aufwendig und teuer. Aber gerade darauf sind kleinere Geschäfte angewiesen, damit auch sie ein Pfandsystem anbieten können. Der kleine Eckladen in der U-Bahn hat nicht genug Platz, um alle angeschwemmten Becher zu reinigen und zu lagern. Aber anstatt den Unternehmen einen Anreiz zu setzen, auch für kleinere Cafés und Restaurants eine kluge Lösung zu finden, befreit die Novelle diese einfach von der Mehrwegpflicht: Restaurants mit weniger als fünf Mitarbeitenden und kleiner als 80 Quadratmeter müssen auch nach 2023 kein Mehrweg anbieten.

Dass es auch anders geht, zeigt das Land Berlin in einem Modellprojekt mit Recup: Entlang der U-Bahnlinie 2 wurden insbesondere kleine Geschäfte angeworben, das Pfandsystem zu nutzen. Die Besonderheit: Die benutzten Becher werden vom Unternehmen abgeholt, gereinigt und zurückgebracht.

Aber ein Antrag der Grünen, Mehrweg und innovative Pfandsysteme zu fördern, nicht nur zu fordern, wurde abgelehnt. Stattdessen soll es der freie Markt richten. Bis es so weit ist, funktioniert am ehesten, was für die Umwelt eh am besten wäre: Die eigene Thermoskanne und Tupperdose.

 

Quellen

Saskia Gerhard und Anna Schughart (2017, 3. September) Greenwashing to go? Zeit. Abgerufen am 08.05.2021 von https://www.zeit.de/wissen/umwelt/2017-08/kaffeebecher-pfand-nachhaltigkeit-umweltschutz


Uschi Götz (2017, 08. September) Mehrweg to go. Deutschlandfunk. Abgerufen am 08.05.2021 von https://www.deutschlandfunk.de/pfandsystem-fuer-geschirr-mehrweg-to-go.697.de.html?dram:article_id=395424


Sophie Burfein (2018, 29. März) Nieder mit demEinweg-Kaffeebecher. Süddeutsche Zeitung. Abgerufen am 08.05.2021 von https://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/nachhaltigkeit-nieder-mit-dem-einweg-kaffeebecher-1.3925247


(2019, 25. November) Pilotprojekt für Mehrwegpfandbecher bietet Service für Verkaufststellen ohne eigene Spülmöglichkeit. Senatverwaltung für Umwelt Verkehr und Klimaschutz. Abgerufen am 08.05.2021 von https://www.berlin.de/sen/uvk/presse/pressemitteilungen/2019/pressemitteilung.868713.php


Jörn Hasselmann (2019, 25. November) Pfandbecher in der U-Bahn. Der Tagesspiegel. Abgerufen am 08.05.2021 von https://www.tagesspiegel.de/berlin/pilotprojekt-fuer-mehrwegbecher-in-berlin-pfandbecher-in-der-u-bahn/25264864.html


(2021, 20. Januar) Mehrweg wird möglich im To-Go-Bereich. Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit. Abgerufen am 08.05.2021 von https://www.bmu.de/pressemitteilung/mehrweg-wird-moeglich-im-to-go-bereich/


(2021, 5. Mai) Pfandpflicht auf Einwegflaschen wird ausgeweitet. Deutscher Bundestag. Abgerufen am 08.05.2021 von https://www.bundestag.de/presse/hib/839718-839718


(2021, 6. Mai) Neues Gesetz verodnet Gastrobetrieben Mehrwegangebote. RBB24. Abgerufen am 08.05.2021 von https://www.rbb24.de/wirtschaft/beitrag/2021/05/imbiss-strassenverkauf-mehrweg-verpflichtung-pfand-2023-bundestag.html

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