Die Polizei, die Feuerwehr, das Technische Hilfswerk - sie alle kommunizieren miteinander über Funk, was los ist und wo Hilfe gebraucht wird. Aber ausgerechnet bei der Flutkatastrophe vor zwei Wochen funktioniert das Funknetz der Rettungsdienste nicht.
Die Kommunikation der Rettungsdienste läuft über das digitale Behördenfunknetz BOSnet. Es ist ein nationales Funknetz, das 99,2 Prozent der Fläche Deutschlands abdeckt und eine Netzverfügbarkeit von 99,97 Prozent hat. Aber in der Flutkatastrophe Mitte Juli versagt es – die Rettungskräfte können sich nicht miteinander austauschen, keine Verstärkung rufen. Twitter ist voll von Kommentaren frustrierter Helfer*innen. Sie beschreiben, dass in der Nacht von Mittwoch zu Donnerstag, als die Regenfälle am stärksten sind, teilweise minutenlang kein Funkspruch rausgeht.
Der neue Funk
Die Idee, den analogen Funk abzuschaffen und durch einen digitalen zu ersetzen, stammt aus dem Jahr 1996. Es gibt vor allem zwei Gründe, die für einen Wechsel sprechen:
Der analoge Funk rauscht so stark, dass sich die Rettungsdienste teilweise nicht verstehen können.
Außerdem ist er nicht national geregelt. Jeder Ort hat seine eigene Frequenz, länderübergreifend kann nicht gefunkt werden.
Stattdessen soll ein national einheitliches Funksystem aufgebaut werden. Dafür wird extra eine eigene Behörde gegründet, die den Ausbau koordiniert: Die Bundesanstalt für den Digitalfunk der Behörden und Organisationen mit Sicherheitsaufgaben (BDBOS). 2012 wird das Projekt fertiggestellt.
Das neue Funksystem basiert auf dem TETRA-Standard. Das ist eine Norm, vergleichbar mit der DIN, die genau festlegt, wie das System aufgebaut sein muss. Bei diesem Funksystem werden die Nachrichten nicht über Satelliten vermittelt, sondern über Mastantennen und Funktürme.
Die Katastrophe
Bei der Flutkatastrophe am 14. und 15. Juli wird das zum Verhängnis: Die Sender sind nicht krisenfest ausgebaut und verbunden. Die heranbrausenden Wassermassen zerstören einige Mastantennen und Funktürme – die Übertragung ist gestört. Hinzu kommt auch noch, dass während der Katastrophe außergewöhnlich viel gefunkt wird. Das System ist dafür nicht ausgelegt und deshalb überlastet.
Wer übernimmt Verantwortung?
Die BDBOS ist dem Innenministerium unterstellt, obliegt also der Verantwortung des Bundes. Der Bund baut die Infrastruktur für das Funknetz auf, zum Beispiel die Rechenzentren und Vermittlungsstellen. Für den Netzausbau in der Fläche sind allerdings die Länder verantwortlich. Sie errichten Mastantennen und Funktürme. Während die Vermittlungsstellen oft gesichert unter der Erde liegen, sind die Antennen und Türme frei auf der Oberfläche – und den Sturmfluten ausgesetzt.
Weder die BDBOS, noch die Länder haben sich bisher zum zusammengebrochenen Funknetz geäußert. Auch in den Medien wird das Problem kaum thematisiert. Aber wenn untersucht wird, ob und wie man den Tod von fast 200 Menschen hätte verhindern können, sollte das nicht-funktionierende Funknetz der Rettungskräfte auch auf die Diskussionsliste gesetzt werden.
Quellen
2021, 05. August. Lage der Nation 250. Abgerufen am 08.08.2021 von https://lagedernation.org/
Thomas Kuhn (2021, 27. Juli) Warum das Milliarden-Netz ausgerechnet in der Katastrophe versagt hat. Wirtschaftswoche. Abgerufen am 08.08.2021 von https://www.wiwo.de/technologie/digitale-welt/digitaler-polizeifunk-keine-chance-fuer-die-notstromversorgung/27454406-2.html
Der Digitalfunk BOS. Bundesanstralt für den Digitalfunk der Behörden und Organisationen mit Sicherheitsaufgaben. Abgerufen am 08.08.2021 von https://www.bdbos.bund.de/DE/Digitalfunk_BOS/digitalfunk_bos_node.html
Was ist eigentlich BOS-Funk bzw. TETRA? Objektfunk.Abgerufen am 08.08.2021 von https://objektfunk.de/blog/was-ist-bos-digitalfunk-tetra/
Digitalfunk der Behörden und Organisationen mit Sicherheitsaufgaben. Wikipedia. Abgerufen am 08.08.2021 von https://de.wikipedia.org/wiki/Digitalfunk_der_Beh%C3%B6rden_und_Organisationen_mit_Sicherheitsaufgaben
Hochwasser in West- und Mitteleuropa 2021. Wikipedia. Abgerufen am 08.08.2021 von https://de.wikipedia.org/wiki/Hochwasser_in_West-_und_Mitteleuropa_2021
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