Offenbar ist die Deutsche Agrarlobby politikprägend.
Ein paar Beispiele:
Die Düngeverordnung: Bis 2018 konnte sich der Bundestag nicht dazu durchringen, die Düngeverordnung zu erneuern und riskierte deshalb hohe Strafzahlungen an die EU. Denn die Nitratrichtlinien, die die EU zum Schutz von Grund- und Oberflächenwasser bestimmt hat, haben die deutschen Bauern nicht eingehalten, wollten die Bauern nicht einhalten, und mussten die Bauern nicht einhalten. Erst im März 2018 stimmte der Bundestag unter Druck der angedrohten Strafzahlungen für eine Novellierung der Düngeverordnung.
Die Ferkelkastration: 2018 wird die Ferkelkastration für weitere zwei Jahre erlaubt. Erst ab dem 1. Januar 2021 müssen die Schweine jetzt vor der Kastration betäubt werden. Die Grüne Agrarpolitikerin Miriam Staudte empörte sich 2018 über die Verschiebung: „der Tierschutz wird den Lobbyinteressen geopfert.“
Der Insektenschutz: Nach wie vor ist in Deutschland der Einsatz von Pestiziden erlaubt, die das Insektensterben befördern. Deshalb forderte Antje von Broock, BUND-Geschäftsführerin Politik und Kommunikation am 20. Mai 2020: „Wir rufen die Bundesregierung auf, sich von der Agrarlobby zu emanzipieren und nicht länger deren Einflüsterungen zu folgen.“
Aber wie funktioniert die deutsche Agrarlobby? Und warum hat sie einen so großen Einfluss auf die Politik? Die Antwort lautet: Netzwek-Knotenpunkte.
Ein einzelner Akteur, zum Beispiel der Präsident des Deutschen Bauernverbandes Joachim Rukwied, ist so ein Netzwerk-Knotenpunkt. Er ist nicht nur Präsident der größten Interessensvertretung der Deutschen Landwirte, sondern sitzt auch als Aufsichts- oder Beirat in zahlreichen Großunternehmen. Unter anderem ist er Vorstandsvorsitzender des „Forum moderne Landwirtschaft“, eine Lobbyorganisation , die auch vom Glyphosat-Anbieter Bayer finanziell unterstützt wird.
Ein anderer Knotenpunkt ist Albert Deß. Er ist
Funktionär des Deutschen Bauernverbandes ( d.h. er will hohe Milchpreise),
gleichzeitig Vorstandsvorsitzender des Molkereiunternehmens Bayernland ( d.h. er will niedrige Milchpreise)
und war bis 2019 Agrarpolitischer Sprecher der Fraktion EVP im Europaparlament (d.h. er entschied mit über die Verteilung von Subventionen, u.a. für Milchpreise).
Außerdem gibt es viele kleine Verbindungen zwischen Politik, Agrarbusiness und Landwirtschaftsverbänden. Zum Beispiel: Über die Hälfte der Unionsmitglieder im Agrarausschuss hat auch ein Amt im Deutschen Bauernverband inne. Naturgemäß vertreten sie an erster Stelle die Interessen der Landwirtschaft, nicht die von Umwelt- und Tierschutz.
Diese Netzwerk-Knotenpunkte sind seit 2019 dokumentiert in der Studie Verflechtungen und Interessen des Deutschen Bauernverbandes, im Auftrag des NABUs und bearbeitet vom Institut Arbeit und Wirtschaft (iaw) der Universität Bremen. Daran wird deutlich, warum die Agrarlobby einen gewaltigen Einfluss auf die Deutsche und Europäische Politik hat. Geändert hat sich allerdings nichts.
Quellen:
Studie und SWR Doku
(2019, 29. April). Gekaufte Agrarpolitik. Wie Industrie und Agrarlobby durchregieren. SWR Doku. Abgerufen am 27.09.2020, von https://www.youtube.com/watch?v=3yxZekvV89M
(2019, 01. April). Verflechtungen und Interessen des Deutschen Bauernverbandes (DBV). NABU und iaw. Abgerufen am 27.09.2020, von https://www.nabu.de/imperia/md/content/nabude/landwirtschaft/agrarreform/190429-studie-agrarlobby-iaw.pdf
Zitate, Beispiele für Agrarpolitik
Susan Jörges, (2020, 30. April). Düngeverordnung: Wie sich die Bundesregierung für die Interessen der Agrarlobby stark machte. Abgeordnetenwatch. Abgerufen am 27.09.2020, von https://www.abgeordnetenwatch.de/blog/lobbyismus/duengeverordnung-wie-sich-die-bundesregierung-fuer-die-interessen-der-agrarlobby
Marco Seng, (2018, 05. Oktober). Ferkelkastration ohne Betäubung bleibt doch erlaubt. Hannoversche Allgemeine. Abgerufen am 27.09.2020, von https://www.haz.de/Nachrichten/Politik/Niedersachsen/Bundesregierung-Ferkelkastration-ohne-Betaeubung-bleibt-fuer-weitere-zwei-Jahre-erlaubt
Katrin Wenz, (2020, 19. Mai). Kein ausreichender Schutz – Insektenschwund setzt sich fort. BUND. Abgerufen am 27.09.2020, von https://www.presseportal.de/pm/7666/4600518
Einzelpersonen:
(2019, 30.August). Albert Deß. Wikipedia. Abgerufen am 27.09.2020, von https://de.wikipedia.org/wiki/Albert_De%C3%9F
(2020, 26.April). Joachim Rukwied. Wikipedia. Abgerufen am 27.09.2020, von https://de.wikipedia.org/wiki/Joachim_Rukwied
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