Vergangenen Montag hat die SPD einen Entwurf für ihr Bundestags-Wahlprogramm veröffentlicht. Darin positioniert sie sich eindeutig gegen eine Klarnamenpflicht im Internet – aber für eine Nutzung mit Pseudonym.
In ihrem Entwurf schreibt die SPD:
„Die anonyme und pseudonyme Nutzung des Netzes schützt viele Journalist*innen und Freiheitskämpfer*innen in aller Welt vor Verfolgung und Bedrohung.“
Soll heißen, im Netz muss niemand seinen vollständigen Namen angeben. Die SPD ist gegen eine Klarnamenpflicht. Aber was bedeutet „anonyme und pseudonyme Nutzung des Netzes“ genau und was ist der Unterschied zwischen anonym und pseudonym?
Wer anonym veröffentlicht, kann nicht identifiziert werden. Bei einer pseudonymen Veröffentlichung hingegen ist der Verfasser oder die Verfasserin eindeutig identifizierbar. Auch wenn nicht unter Klarnamen veröffentlicht wird, geht das Pseudonym auf einen Klarnamen zurück – und das heißt, wer den passenden Schlüssel hat, kann auch zurückverfolgen, wer sich hinter dem Pseudonym verbirgt.
Die SPD schreibt weiter:
„Wir werden deshalb auch die Plattformbetreiber verpflichten, die Voraussetzungen für eine grundsätzliche Identifizierbarkeit zu schaffen.“
Das heißt, anonyme Beiträge sind tatsächlich nicht mehr möglich. Und für Beiträge, die unter einem Pseudonym verfasst worden sind, gilt: Die Plattformen müssen wissen, wer hinter dem Pseudonym tatsächlich steckt. Die Plattformen müssen also bei einer Registrierung den Klarnamen abfragen und verifizieren. Wenn dann unter Pseudonym gehetzt wird, können Ermittler den Klarnamen bei den Plattformen erfahren und strafrechtlich gegen die Person ermitteln.
Das hieße zum Beispiel, dieser Artikel darf von dem Pseudonym „Rote Karotte“ veröffentlicht werden, mein Klarname ist aber bei der Betreiberplattform hinterlegt und verifiziert. Es gibt also eine eindeutige Antwort auf die Frage: „Wer ist die Rote Karotte?“. Insofern ist dieser Artikel nicht anonym.
Die Forderung der SPD ist vergleichbar mit der Forderung, dass Demonstranten sich vor der Demo mit ihrem Personalausweis registrieren müssen. Dann trägt zwar keiner ein Schild, auf dem dick und fett der eigene Name steht, aber dennoch ist jeder, der auf der Demo war eindeutig als Demonstrant identifizierbar. Die Piratenpartei sieht in dem Entwurf deshalb eine „Klarnamenspflicht durch die Hintertür“.
Es ist erstaunlich, dass die SPD fordert, Nutzer und Nutzerinnen im Netzt müssen identifizierbar sein. Schließlich war es die SPD, die eine Identifizierbarkeit im Netz im Koalitionsausschuss mit der CDU mehrfach abgelehnt hatte. Als im Januar 2020 im Bundestag darüber diskutiert wurde, waren die Positionen eindeutig: Während die CDU sich für eine Klarnamenpflicht aussprach, war die SPD dagegen. Die CDU argumentierte, dass so Hass und Hetze im Netz besser strafrechtlich verfolgt werden könne. Die SPD hielt damals noch dagegen, dass auch unter Klarnamen gehetzt werde. Außerdem sei eine anonyme Meinungsäußerung wichtig, damit auch Minderheiten, Journalisten usw. ihre Meinung unbeschadet äußern können.
Scheinbar hat die Partei ihre Meinung geändert.
Quellen
Stefan Krempl (2021, 02. März) SPD-Wahlprogramm: Gigabit-Gesellschaft, Identifizierungspflicht und Tempolimit. Heise. Abgerufen am 07.03.2021 von https://www.heise.de/news/SPD-Wahlprogramm-Gigabit-Gesellschaft-Identifizierungspflicht-und-Tempolimit-5070104.html
Daniel Mönch (2021, 03. März) Piraten gegen SPD Pläne zur Identifizierungspflicht. Piratenpartei. Abgerufen am 07.03.2021 von https://www.piratenpartei.de/2021/03/03/piraten-gegen-spd-plaene-zur-identifizierungspflicht/
(2021, 01. März) Das Zukunftsprogramm. SPD. Abgerufen am 07.03.2021 von https://www.spd.de/fileadmin/Dokumente/Beschluesse/20210301_SPD_Zukunftsprogramm.pdf
(2021, 05. März) Lage der Nation Nr. 231. Abgerufen am 07.03.2021 von https://lagedernation.org/#ldn
(2020, 13. Januar) Lambrecht: Es gibt gute Gründe für Anonymität im Internet. Zeit Online. Abgerufen am 07.03.2021 von https://www.zeit.de/news/2020-01/13/lambrecht-es-gibt-gute-gruende-fuer-anonymitaet-im-internet
(2020, 21. Februar) Überblick über den aktuellen Diskussionsstand und rechtliche Grundlagen zum Thema „Klarnamenpflicht im Internet“. Deutscher Bundestag. Abgerufen am 07.03.2021 von https://www.bundestag.de/resource/blob/691400/10dd5fe59e4dc35885d4752f25126350/WD-10-003-20-pdf-data.pdf
Mirjam Benecke (2020, 15. Januar) Anonymität im Internet – sinnvoll oder gefährlich. Deutsche Welle. Abgerufen am 07.03.2021 von https://www.dw.com/de/anonymit%C3%A4t-im-internet-sinnvoll-oder-gef%C3%A4hrlich/a-51994066
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